Inklusion im Gaming - Ein Interview mit Melanie Eilert
Menschen mit Behinderungen sind im Alltag mit vielerlei Hürden konfrontiert, die ihnen die Teilhabe am Leben erschweren oder gar verunmöglichen. Wir haben uns mit Melly unterhalten, die mit Spinaler Muskelatrophie lebt und sich immer wieder für die Rechte und die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen einsetzt. Wir danken herzlichst für ihre Mitarbeit.
Was ist spinale Muskelatrophie?
Spinale Muskelatrophie (SMA) ist eine genetische Erkrankung, die zu einem fortschreitenden Verlust der Muskelkraft führt. Das liegt daran, dass die Nervenzellen, die für die Bewegung der Muskeln verantwortlich sind, nicht ausreichend mit einem bestimmten Protein versorgt werden und langsam absterben. Für mich bedeutet das, dass ich mich schon seit meiner Kindheit im Rollstuhl fortbewege und im Alltag verschiedene Hilfsmittel brauche. Durch diese Unterstützung bin ich aktiv und setze mich so leidenschaftlich für Barrierefreiheit und Inklusion ein.
Welche Einschränkungen bestehen für Betroffene der spinalen Muskelatrophie sowohl im Alltag als auch speziell im Gaming?
Im Alltag gibt es viele Hürden z. B. bei der Mobilität oder beim Zugang zu öffentlichen Räumen. Im Gaming sind es oft technische Barrieren wie unzugängliche Steuerungen, fehlende Optionen für einhändiges Spielen oder notwendige schnelle Reaktionen. Ohne spezielle Controller, wie den Xbox Adaptive Controller, wäre es mir nur schwer möglich, viele Spiele zu genießen. Aber glücklicherweise gibt es mittlerweile immer mehr Anpassungsmöglichkeiten, die das Spielen für Menschen mit Behinderungen ermöglichen.
Du bist Botschafterin für Gaming ohne Grenzen. Was ist das? Was ist dein Tätigkeitsfeld dort?
„Gaming ohne Grenzen“ ist eine Initiative, die sich für Barrierefreiheit in Videospielen einsetzt. Während der Projektlaufzeit wurden Spiele von inklusiven Jugendgruppen auf Barrierefreiheit getestet und die Testergebnisse auf der Website veröffentlicht. Als Botschafterin unterstütze ich bei Workshops, Panels und anderen Projekten, bei denen wir über die Bedeutung von Barrierefreiheit im Gaming sprechen und bringe als Expertin in eigener Sache die Perspektive behinderter Menschen ein. Unser Ziel ist es, Beteiligte der Gamesbranche zu sensibilisieren und zu zeigen, wie Spiele für alle zugänglich gemacht werden können.
Wie hat sich in der Gamingbranche das Bewusstsein der Notwendigkeit für barrierefreies Gaming in den letzten Jahren entwickelt?
Es hat sich definitiv einiges getan. Vor einigen Jahren war Barrierefreiheit in Games kaum ein Thema, aber durch den Einsatz vieler Stimmen – einschließlich meiner eigenen – wächst das Bewusstsein. Die Veröffentlichung von Controllern wie dem Xbox Adaptive Controller oder der PlayStation Access Controller zeigt, dass die Industrie immer mehr auf die Bedürfnisse behinderter Spieler eingeht. Viele Studios fangen an, Barrierefreiheit ernst zu nehmen, aber es gibt noch viel zu tun.
Welche minimalen Features bzw. Optionen sollte ein Game in punkto Barrierefreiheit unbedingt standardmäßig anbieten? Wird das schon von vielen Studios berücksichtigt?
In erster Linie kommt das natürlich auf das Spiel an. Ein Spiel, in dem nicht gesprochen wird, braucht keine Untertitel. Barrierefreiheit lässt sich nicht per Checkliste abarbeiten. Aber mal so ganz allgemein: Ein Game sollte mindestens
- anpassbare Steuerungen
- Untertitel
- visuelle und auditive Hilfen
anbieten. Auch Optionen zur Reduzierung der Schwierigkeit – wie Zeitlimits oder schnelle Reaktionen – sind hilfreich. Es gibt einige Studios, die bereits große Fortschritte gemacht haben, aber viele Features sind noch nicht Standard. Spiele wie The Last of Us Part II haben eine Vielzahl von Optionen, die als Vorbild für andere Studios dienen sollten.
Wo siehst du persönlich generell die größeren Probleme/Mankos: Fehlende barrierefreie Optionen in der Software, unpassende Eingabegeräte oder fehlende Möglichkeit der Identifikation mit der Spielwelt/Spielcharakteren?
Jedes dieser Probleme ist bedeutend und gerade barrierefreie Software und Hardware gehen Hand in Hand. Die besten Optionen bringen nichts, wenn eine Person das benötigte Eingabegerät nicht bedienen kann und umgekehrt. Ohne diese Grundvoraussetzungen können viele Menschen überhaupt nicht spielen. Anpassbare Steuerungen und visuelle Hilfen sind essenziell, um das Spiel für alle zugänglich zu machen. Gleichzeitig sind unpassende Eingabegeräte ein Hindernis, besonders wenn spezielle Controller teuer oder schwer erhältlich sind. Darüber hinaus ist die fehlende Repräsentation von Menschen mit Behinderungen in Spielen ein emotionales Thema. Es ist schwer, sich mit Geschichten und Welten zu identifizieren, wenn Behinderungen kaum sichtbar oder oft klischeehaft dargestellt werden.
Was hältst du von den aktuell erhältlichen “Accessibility Controllern” von Xbox oder PS5?
Die Xbox Adaptive Controller und der PlayStation Access Controller sind großartige Schritte in die richtige Richtung. Sie erfüllen definitiv ihren Zweck, indem sie individuell angepasst werden können, was vielen Spielenden ermöglicht, unabhängig von ihren körperlichen Einschränkungen zu spielen. Allerdings gibt es immer Raum für Verbesserungen. Ein Controller gilt für mich dann als barrierefrei, wenn er maximal anpassbar ist – nicht nur physisch, sondern auch in der Software, sodass jede Person ihre individuelle Lösung finden kann. Idealerweise sollte er auch zu erschwinglichen Preisen erhältlich und weltweit zugänglich sein.
Wo und was sollte unbedingt mehr in punkto Inklusion/Barrierefreiheit/Accessibility gemacht werden?
Ich würde mir wünschen, dass Entwicklungsstudios von Anfang an Barrierefreiheit in ihre Spiele einbauen, statt es später als Add-on zu betrachten. Das bedeutet, Menschen mit Behinderungen in den Entwicklungsprozess einzubinden. Mehr Spiele sollten Optionen wie angepasste Steuerungen, Untertitel oder Modi zur Reduzierung von Spielstress bieten. Auch in der physischen Welt – etwa bei Gaming-Events oder Messen – muss Barrierefreiheit stärker berücksichtigt werden. Es geht darum, eine Kultur der Inklusion zu schaffen, die Behinderungen normalisiert und keine Ausnahmen macht.
Welche Spiele würdest du aktuell als “Leuchttürme” sehen, die für viele Menschen gut spielbar sind aufgrund ihrer Accessibility-Optionen?
Spiele wie The Last of Us Part II und Forza Horizon 5 sind großartige Beispiele, wenn es um Barrierefreiheit geht. The Last of Us Part II bietet zahlreiche Optionen wie anpassbare Steuerungen, visuelle Hilfen, akustische Signale und Spielmodi, die den Schwierigkeitsgrad senken. Forza Horizon 5 integriert ebenfalls viele barrierefreie Optionen, darunter sogar Gebärdensprache. Solche Spiele setzen neue Standards und zeigen, was möglich ist, wenn Barrierefreiheit ernst genommen wird.
Schlussworte
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